Die wissenschaftliche Methode - hoffentlich einfach erklärt

Kategorien: philosophie

Es mag ein ungewöhnliches Thema sein, aber in Zeiten von "Fake News" und "Alternate Facts", muss man sich die Frage stellen, ob nicht die Basis für unser Faktenverständnis klar verständlich erklärt werden muss, dass wir wieder eine gemeinsame Diskussionsbasis haben.

Fangen wir mit einem einfachen Experiment an

  1. nehmen Sie ein Blatt Papier und ein Stift

  2. bitten Sie einen Freund oder Familienmitglied, oder eben den lieben Nachbarn bzw. Nachbarin, mit geschlossenen Augen Punkte auf das Blatt zu zeichnen.

    4 blaue Punkte angeordnet als Quadrat
    Abbildung 1. vier "zufällige" Punkte
  3. Behalten Sie Ihren Helfer, Sie werden ihn (oder sie) noch brauchen!

  4. Jetzt sind Sie dran: nehmen Sie Blatt und Stift und zeichnen Sie eine Linie, so dass alle Punkte miteinander verbunden sind. Die Linie muss nicht gerade sein, sie darf sogar durch das Blatt torkeln.

  5. Das war einfach, oder? Es bleibt nicht mehr lange so.

  6. Sie werden gleich Ihren Helfer bitten, weitere zufällige Punkte blind zu zeichnen, aber davor müssen Sie Ihre Linie so verlängern, dass sie durch diese zukünftige Punkte geht. Ja, Sie haben richtig gelesen, Sie müssen voraussagen, wo der Stift vom erblindeten Helfer auf das Blatt landen wird. Klingt nicht mehr so einfach, oder?

    Die 4 blaue Punkte sind durch eine rote gestrichelte Linie verbunden, einmal als Sanduhr, einmal als Fliege
    Abbildung 2. Eine Sanduhr? Oder doch eine Fliege?
  7. Jetzt bitten Sie Ihren Helfer, wieder die Augen zuzumachen, und seine Punkte zu setzen (ohne zu versuchen, Ihre Linie absichtlich zu treffen).

  8. Können wir uns jetzt einigen, dass Sie eine miese Voraussage gemacht haben, und die meisten Punkte nicht auf Ihre verlängerte Linie gelandet sind?

    ein grüner Punkt mit einem Fragezeichen ist über den blauen Punkten gekommen, und die rote gestrichelte Linie verbindet die 5 Punkte als Haus
    Abbildung 3. Vielleicht doch ein Haus!
  9. Bedanken Sie sich recht herzlich bei ihrem Helfer, und schicken ihn nach hause (außer er gehört zu Ihrem Haushalt, dann darf er bleiben).

Was haben wir soweit erfahren?

  • wenn die Fakten (bzw. die Punkte) auf dem Tisch liegen, ist es ziemlich einfach, eine Theorie (d.h. eine Linie) zu eruieren, die zu diesen Fakten passt.

  • wir können sogar viele Theorien erfinden, die zu den Fakten passen, so wie wir unendlich viele verschiedene Linien zeichnen können, die die schon gezeichnten Punkte verbinden.

  • es ist allerdings unendlich schwieriger, eine Theorie zu definieren, die eine verlässliche Voraussage über noch unbekannte Fakten macht.

Und genauso unterscheidet sich eine wissenschaftliche Theorie von einer allgemeinüblich verstandenen Theorie: sie passt nicht nur zu den schon bekannten Fakten aber sie macht auch eine Aussage über zukünftige Fakten, so dass sie überprüft werden kann. Ohne diese Aussage und deren Überprüfung durch zum Zeitpunkt der Entstehung unbekannte Fakten, ist jede Theorie so gut wie alle anderen, und wir sind nicht in der Lage deren Richtigkeit zu bestimmen.

Und damit können die Anhänger einer Theorie sich nie mit den Anhängern einer anderen Theorie über derer relativen Richtigkeit einigen, denn sie können nur die gleichen Fakten durchkauen und keine Interpretation ist grundsätzlich besser als die andere. Die Argumentation dreht sich im Kreis und das kann langfristig nur zur Frustration und Aggression auf beide Seiten führen, was meines Erachtens in unserer Gesellschaft gerade passiert.

Wenn wir uns aber einigen können, dass eine Theorie nur so gut wie sie von zukünftigen Fakten bestätigt wird bzw. von Ihnen nicht widerlegt wird, und wenn wir auch unserer Theorie abträglichen Fakten ehrlich akzeptieren, dann können wir miteinander konstruktiv zu gemeinsamen Lösungen kommen.

In diesem Sinne

Sollte meine Theorie korrekt sein, sage ich voraus, dass das Lesen dieses Artikels zu einer spürbaren Erhöhung der Diskussionsqualität in unserer Gesellschaft führen wird. Sollte das nicht der Fall sein, hoffe ich zumindest, dass Ihr Spass beim Lesen gehabt habt.